Dora Pfeifer-Suger                                                                                  Britzinger Weg 24

Kreisrätin                                                                                                                                                                    79379 Müllheim

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Email: dora.pfeifer-suger@web.de

 

 

Dora Pfeifer-Suger, Britzinger Weg 24, 79379 Müllheim

 

Herrn

Landrat Jochen Glaeser

Stadtraße 2

79104 Freiburg

 

 

                                                                                                                                                                     Müllheim, den 4. Mai 2005

 

 

Integration behinderter Kinder in Regelkindergärten

 

 

Sehr geehrter Herr Landrat,

 

die Bedeutung und die Vorteile einer gemeinsamen Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder sind mittlerweile unbestritten. Die Lernimpulse die behinderte Kinder im Spiel und im Umgang mit nicht behinderten Kindern erhalten sind von großer Bedeutung für ihre Entwicklung.  Nicht behinderte Kinder lernen früh, Rücksichtnahme zu üben und Verantwortung zu übernehmen. Die Aufnahme eines behinderten Kindes in den Kindergarten seines Wohnorts bzw. Stadtteils ermöglicht dem Kind in seinem Lebensumfeld zu verbleiben und mit den anderen Kindern des Wohnviertels aufzuwachsen. Auch fallen keine lange Wege in eine Sondereinrichtung an.

 

Behinderte Kinder haben mit Vollendung des 3. Lebensjahres, wie nicht behinderte Kinder auch, einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Zudem besteht ein Anspruch auf zusätzlichen individuellen Förderbedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe, wenn die Voraussetzungen des § 2 SGB IX erfüllt sind. SGB IX § 4, Abs. 3 führt dazu aus: „Leistungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit nicht behinderten Kindern betreut werden können. Dabei werden behinderte Kinder alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen mit einbezogen.“

 

Nun haben sich besorgte Eltern eines geistig behinderten Kindes (Down Syndrom) aus Müllheim an mich gewandt, die ihr Kind im Regelkindergarten ihres Wohnortes angemeldet haben. Das Kind soll ab dem 1. Juni 2005 den ev. Kindergarten in Müllheim-Hügel-heim besuchen. Seit November läuft der Antrag auf die Gewährung von Eingliederungshilfe, ohne dass bisher eine Entscheidung gefallen, bzw. ein Vertrag zwischen dem Landratsamt und dem Kindergarten zustande gekommen ist.

 

Wie ich vom aufnehmenden Kindergarten erfahren habe, hat das Landratsamt mittlerweile mündlich in Aussicht gestellt, täglich zwei Stunden begleitende Hilfe und eine Stunde heilpädagogische Hilfe wöchentlich im Rahmen der Eingliederungshilfe zu bewilligen. Laut dem Vertragsentwurf, der mittlerweile dem Kindergartenträger zugeschickt wurde, soll der Kindergarten dafür monatlich  488.- € erhalten. Dieser Betrag reicht aber für den vom Landratsamt festgestellten Bedarf an begleitender und heilpädagogischer Hilfe nicht aus. Auch ist die Dauer der Leistungen aus dem Vertragsentwurf nicht erkennbar. Ein Bewilligungsbescheid an die Eltern, in dem der Umfang der Hilfen und die Dauer und Verwendung der bewilligten Eingliederungshilfe genauer beschrieben ist, soll erst nach Vertragsabschluss mit dem Kindergarten zugestellt werden.

 

Die Landeswohlfahrtsverbände in Baden-Württemberg hatten Richtlinien für die Vergütung von begleitenden und pädagogischen Hilfen erarbeitet und „für ein wesentlich behindertes Kind oder für ein von einer wesentlichen Behinderung bedrohtes Kind“ monatlich bis zu 460.- € für pädagogische Hilfen und bis zu 308.- € für begleitende Hilfen oder für beide Maßnahmen zusammen 768.- € vorgesehen.  Die Leistungen der Eingliederungshilfe wurden nach diesen Richtlinien in der Regel für den gesamten voraussichtlichen Besuch des Kindergartens bewilligt, soweit keine Änderungen im individuellen Förderbedarf abzusehen waren. Als Verwendungsnachweis hatten die Kindergärten für jedes behinderte Kind, das über die Eingliederungshilfe gefördert wurde im jährlichen Abstand einen Bericht zu erstellen, in dem die durchgeführte Förderung dargestellt und in dem Erfolge und die Weiterentwicklung des jeweiligen Kindes dargestellt wurden. Der Landkreis- und Städtetag hatten empfohlen, die Richtlinien der Landeswohlfahrtsverbände für mindestens ein Jahr weiter anzuwenden.

 

In diesem Zusammenhang bitte ich Sie um die Beantwortung folgender Fragen:

 

  1. Erfolgt die Prüfung von Anträgen auf Eingliederungshilfe zur Betreuung behinderter Kinder in Regelkindergärten unter dem Gesichtspunkt, der in SGB IX, § 4, Abs.3 beschriebenen Zielsetzung, wonach behinderte Kinder in ihrem sozialen Umfeld aufwachsen und zusammen mit nicht behinderten Kindern betreut werden sollen?

 

  1. Nach welchen Kriterien werden der Umfang der zusätzlichen Betreuung und die Höhe der Eingliederungshilfe für behinderte Kinder in Regelkindergärten ermittelt? Inwieweit werden dabei die Richtlinien der Landeswohlfahrtsverbände angewandt?

 

  1. Für welchen Zeitraum werden die Leistungen bewilligt?

 

  1. Inwieweit werden die Eltern, bzw. die Sorgeberechtigten bei der Planung und Ausgestaltung der Hilfen mit einbezogen?

 

  1. Wird ein Gesamtplan zur Feststellung der Erforderlichkeit und des Umfangs des zusätzlichen individuellen Förderbedarfs erstellt und werden dabei das Gesundheitsamt, der Kindergarten, die sonderpädagogische Beratungsstelle/Frühförder-stelle und die Eltern mit einbezogen?

 

  1. Wie ist die lange Bearbeitungszeit von Anträgen, wie in dem oben aufgeführten Fall zu erklären?

 

  1. Welche Gründe liegen der Praxis zugrunde, die Bewilligungsbescheide erst nach erfolgtem Vertragsabschluss mit dem Kindergarten zuzustellen?

 

  1. Wie ist die Differenz zwischen den in Aussicht gestellten Stunden für begleitende und pädagogische Hilfen und der dafür bewilligten Summe zu erklären?

 

 

Für ihre Bemühungen im Voraus recht herzlichen Dank

 

Mit freundlichen Grüßen