Redekonzept                                                                             Dora Pfeifer-Suger

Kreistagssitzung 3. November 2008                                        Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

 

 

Sehr geehrte Frau Störr-Ritter, sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir begrüßen ausdrücklich den Präventionsgedanken der hinter dem Konzept von KIWI steht. Was aber das Konzept selbst und dessen praktische Umsetzung betrifft sehen wir noch Überarbeitungsbedarf.

 

Das Konzept sieht vor, dass 4,4 Sozialbeiterstellen zur Begrüßung Neugeborener geschaffen werden sollen. Im Klartext bedeutet dies, zusätzliche Kosten von mindestens 250 000.- Euro pro Jahr die auch leicht auf 300 000.- Euro steigen können. Vor allem dann, wenn nicht genügend Sponsoren für die Begrüßungsgeschenke gefunden werden.

 

Dafür sind für uns zu viele Unsicherheitsfaktoren in Punkto Wirksamkeit vorhanden.

 

Ob junge Mütter den Besuch einer Sozialarbeiterin vom Jugendamt wirklich zulassen und gutheißen, auch wenn er als Begrüßung getarnt ist und mit einem Willkommensgeschenk gelockt wird, halten wir für sehr ungewiss. Mir wäre jedenfalls keine Sozialarbeiterin des Jugendamtes ins Haus gekommen. Ich, und ich glaube dass ich da kein Einzelfall gewesen wäre, hätte dies als unerwünschte Kontrolle von Amtswegen empört abgelehnt, mich wahrscheinlich sogar öffentlich beschwert.

So richtig der Ansatz ist,  frühzeitig Kindeswohlgefährdungen zu erkennen, so darf dies dennoch nicht zur Kontrolle durch Behördenvertreter führen.

Ich habe auch mit jungen Müttern gesprochen, deren Reaktion mir bestätigt hat, dass sie einen solchen Besuch nicht so toll fänden. 

Es ist zu befürchten, dass gerade Familien mit Hilfebedarf diese Besuche ablehnen werden.

 

Wir halten es auch für sehr fraglich, ob mit einem Besuch wirklich erkannt werden kann, ob eine Familie Hilfe braucht. Probleme und Überforderung sind für Außenstehende meist nicht sofort zu erkennen, oft treten diese auch erst nach einigen Monaten oder sogar Jahren auf.

 

Wir halten auch die angenommene Zahl der Wiederholungsbesuche für sehr hoch. Nach den Annahmen im Konzeptvorschlag würde bei etwa bei einem Drittel aller Neugeborenen ein Hilfebedarf erkannt werden wird.

 

Dagegen haben Hebammen bereits heute einen hohen Stellenwert bei der Betreuung werdender und junger Müttern. Jede Frau hat den Anspruch auf insgesamt 10 Hebammenbesuchen vor und nach der Geburt, die von der Krankenkasse bezahlt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen werden bis zu 20 und darüber hinaus auch noch Einzelbesuch bewilligt. Hebammen genießen eine hohe Akzeptanz  und Vertrauen bei jungen Müttern, auch bei Migrantinnen und haben bereits schon sehr früh Einblick in die häusliche, soziale und psychische Situation von werdenden und jungen Müttern. Hebammen werden als Helfende akzeptiert, nicht als kontrollierende.

 

Es ist richtig, dass bei Kindeswohlgefährdung ein frühes Eingreifen wichtig, für manche Kinder sogar überlebenswichtig ist. Familienhebammen sind durch eine Zusatzausbildung speziell dafür ausgebildet und können im Bedarfsfall schon vor der Geburt eines Kindes mit unterstützenden Maßnahmen beginnen. Das Ziel ist, die Eltern so fit zu machen, dass sie in der Lage sind ihr Kind bzw. ihr Kinder zu versorgen. Familienhebammen sind Spezialistinnen für Mütter mit besonderem Hilfebedarf. Diese werden je nach Situation und Betreuungsbedarf bereits während der Schwangerschaft und bis zur Vollendung des 1. Lebensjahres des Kindes betreut. Dabei liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf der psychosozialen, medizinischen Beratung und Betreuung von Risikogruppen durch aufsuchende Tätigkeit und interdisziplinäre  Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie Jugendamt, Erziehungsberatung etc. 

 

Auch das Land Baden-Württemberg setzt auf Familienhebammen und will zukünftig die Zusatzausbildung jährlich mit  1 Million Euro finanziell unterstützen.

 

Familienhebammen werden bereits in verschiedenen Bundesländern eingesetzt. Auch in Baden-Württemberg gibt es ausgebildete Familienhebammen.

 

Wir sind überzeugt, dass der Arbeitsbereich der Familienhebammen genau die Zielsetzung des Präventionsgedankens von Kiwi und das Näherbringen von Hilfeangeboten erfüllt.

 

 

Deshalb beantragen wir:

 

Den Beschluss über das Projekt Kiwi zu vertagen und das Konzept dahingehend zu überarbeiten dass die Zusammenarbeit mit  Hebammen intensiviert und der Einsatz von Familienhebammen geprüft und in das Konzept integriert wird. 

 

Anmerkung:

Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt

Dem KIWI-Projekt stimmte die Mehrheit des Kreistags zu